Ein Pleite-Tsunami steht bevor!

Hakt es weiterhin bei Härtefallfonds und der CoVid-19-Kurzarbeitsbeihilfe, dann steht uns keine Pleitewelle, sondern ein Pleite-Tsunami bei EPUs und Kleinstunternehmen bevor! Wir reden hier von 490.000 Selbstständigen mit bis zu 9 Mitarbeitern - das sind 93% aller österreichischen Betriebe und 25% aller Arbeitnehmer. Wenn nicht bald etwas passiert, dann gibt es für viele dieser Kleinstbetriebe kein Nach der Pandemie mehr. Was ist die Ursache? Mangel an Demokratie!

Die Wirtschaftskammer kennt 93% ihrer Mitglieder nicht

Auf den ersten Blick klingt es wie ein gewitzter Schachzug die Auszahlung des Härtefallfonds der Wirtschaftskammer zu überlassen. Jahrelang schimpfte die Interessensvertretung der Unternehmer und Selbstständigen über die Behörden und ihre bürokratische Arbeitsweise. Jetzt konnte die Wirtschaftskammer zeigen wie man es besser macht, doch stattdessen versagte sie auf ganzer Linie. Die Umfrage der Uni Wien gießt dieses Versagen in erschreckende Zahlen.

Hinter den Zahlen stecken viele bedrückende Geschichten, die Falter, Kontrast.at (1, 2, ...) und andere in Interviews eingefangen haben. Was auffällt: Neben ewiglangen Wartezeiten beklagen sich die Selbstständigen vor allem über praxisferne Regeln. Wie kann das sein? Die Bundesregierung und ihre Parlamentsfraktion ist von Wirtschaftsbündlern durchsetzt und beide hören schon unterwürfig auf Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung. Nun, das sind alles Unternehmer und Kammerfunktionäre, aber keine Selbstständigen (über die massiven Unterschiede in der Lebenswirklichkeit von Unternehmern und Selbstständigen schrieb ich bereits hier. Kurz: Selbstständige arbeiten selbst und ständig während Unternehmer arbeiten lassen). Das führt zur widersprüchlichen Situation, dass die Führung der Wirtschaftskammer die Sorgen und Nöte von 93% ihrer Mitglieder nicht kennt. Ähnlich abgehoben war nur das Politbüro der DDR.

 Wie aus der Wirtschaftskammer eine reine Unternehmerkammer wurde

In den letzten Jahrzehnten verschwanden nach und nach die Arbeiter, Angestellten und Selbstständigen aus den Entscheidungsgremien der Republik, obwohl sie einen Großteil der Bevölkerung stellen. Dieses Diagramm zeigt die Situation im Nationalrat eindrücklich:

Diese Elitisierung passierte nicht nur im Nationalrat, sondern auch bei den Landtagen, Gemeinderäten und Kammern. Wie kam es dazu? Politisches Engagement erfordert viel Zeit und wirtschaftliche Sicherheit. Arbeiter, Angestellte und Selbstständige können sich diese Zeit nur schwer ohne Einkommensverlust freischaufeln. Außerdem leben sie in einem harten und unsicheren wirtschaftlichen Umfeld: stagnierende oder sinkende Einkommen, Umstrukturierungen, Outsourcing, übermächtige Verhandlungspartner, schrumpfende Nischen und andere Hürden. Unternehmer, Beamte und Kammerfunktionäre können sich die Zeit für Wahlkämpfe und Intrigen nehmen und sie besitzen die nötige wirtschaftliche Sicherheit um ohne Probleme in ihren Beruf oder in ihre Stellung zurück zu kehren. Das führte zu einer schleichenden Elitisierung der gewählten Vertreter und die Folge ist Politik der Eliten, durch die Eliten und für die Eliten.

Wie lässt sich der Pleite-Tsunami abwenden? Teil 1: Sofortmaßnahmen

Als erstes muss sich die Bundesregierung, deren Parlamentsfraktionen und die Führung der Wirtschaftskammer eingestehen, dass sie von der Sorgen und Nöten der EPUs und Kleinstunternehmen nichts versteht. Am wirksamsten wäre ein öffentliches Eingeständnis, aber das ist so wahrscheinlich wie eine Entschuldigung von Kurz für sein Bad in der Menge im Kleinwalsertal. Ein Eingeständnis hinter verschlossenen Türen muss genügen.

Auf Basis dieses Eingeständnisses müssen sie Selbstständige einladen und ihre Geschichten aus erster Hand anhören. Aktuell sind die Tages-, Wochen- und Online-Zeitungen voll von Geschichten mit Selbstständigen in Not. Diese Geschichten gehören alle untersucht, aufbereitet und gebündelt, um die Probleme zu verstehen. Im nächsten Schritt ist es allerhöchste Zeit zu handeln. Was ist wie zu tun? Von den anderen EU-Staaten kann man sich einiges abschauen:

Eine weitere Möglichkeit: Eine 100% Entschädigung für Selbstständige, Angestellte und Arbeiter von geschlossenen Betrieben, wie es im ausgehebelten Epidemiegesetz vorgesehen war. Das Versagen der Bundesregierung und der Wirtschaftskammer bei Härtefallfonds, Fixkostenzuschuss, etc. treibt Selbstständige in den Ruin und zwingt sie die Aushebelung des Epidemiegesetzes vor dem VGH anzufechten.

Wie lässt sich der Pleite-Tsunami abwenden? Teil 2: Demokratisierung

Nach diesen Sofortmaßnahmen ist es an der Zeit die Elitisierung der  Kammern, Gemeinderäte, Landtage und des Nationalrates zu beenden und diese Institutionen wieder zu demokratisieren. Nur mit dieser Demokratisierung verhindert man eine Wiederholung dieses Versagens bei den staatlichen Hilfsmaßnahmen, weil Betroffene mitentscheiden. Das gelingt nur wenn Selbstständige, Angestellte und Arbeiter die nötige Zeit und die nötige wirtschaftliche Sicherheit erhalten um sich politisch zu engagieren. Das wiederum gelingt nur mit einer Vollbeschäftigungspolitik, um die Arbeitsplätze sicherer zu machen und mit einer Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, um die nötige Freizeit zu schaffen. Diese Rahmenbedingungen demokratisieren die Gesellschaft und führen zu einer Politik des Volkes, durch das Volk und für das Volk.

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